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Allerlei
Wer Selbstzweifel hegt, kennt die Wonnen des Sich-Benachteiligtfühlens noch nicht.
Die Zugehörigkeit zum intellektuellen Pöbel manifestiert sich in keiner Eigenschaft deutlicher als in der Unfähigkeit, die literarische Qualität eines Textes zu würdigen, dessen inhaltliche Tendenz einem zuwider ist.
Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen.
Acta diurna
Aufgrund der erheblichen Resonanz, die unsere musikalisch-literarische Soiree "Lebenswerte" – Elena Gurevich spielt Stücke von Bach, Chopin, Beethoven, Schumann u.a., ich lese dazu Passagen aus meinem gleichnamigen Buch – vielerorts auslöste, haben wir sie auf zwei CDs gepresst, in die Sie hier hineinhören und sie auch bestellen können.

23. März 2017
Was ist in der momentanen Politik das Gegenteil von Populismus? Vielleicht Infantilismus ("Wir schaffen das", "Die Sonne schickt keine Energierechnung", "Kein Mensch ist illegal" etc.)?
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Heute am frühen Morgen, als sich gegen eins der spätabendliche Besuch vom Tisch erhob und gen Sofa strebte, nachdem das Ossobuco vertilgt war, der Nebbiolo geleert und endlich Schnaps gereicht wurde, Talisker für die Herren, Poli für die Mädels, setzen sich Letztere an den Flügel und sangen russische Romanzen und danach gar sowjetisches Liedgut. Auch, seufzte ich innerlich waidwund, hätt’ ich doch ein strebsames biodeutsches Akademikerweib, ich könnte stattdessen Gesprächen z.B. über Frauenrechte, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Gender Pay Gap, die schrecklichen Entwicklungen in Amerika oder vegane Kost lauschen!
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"Poesie und Widerstand": Unter diesem schmissigen Motto tourt der Antifaschist Konstantin Wecker, Alterspräsident der Oppositionsgruppe "Weiße Linie", angelegentlich seines 70. Geburtstages auf Jubiläumstournee konspirativ durch deutsche Gaue. Der couragierte Kleinkünstler und bedeutende ehemalige Softporno-Statist aus der Hauptstadt der Bewegung will sich gerade in diesen Zeiten wieder einmischen und den fortgeschrittenen Anfängen wehren, denn wieder ist es fünf vor Zwölf, wieder fließt Wasser auf Mühlen, und der Schoß von Frauke Petry ist fruchtbar noch.
Aber, gepriesen seien Merkel und ihr Gesandter Maas, er ist nicht allein! Die Widerstandsgewerkschaft Verdi hat in einer kühnen Aktion überall im Netz Flugblätter hinterlassen, die "Handlungshilfe für den Umgang mit Rechtspopulisten in Betrieb und Verwaltung" anbieten, denn: "Leider muss man davon ausgehen, dass es mit der Zunahme von Rechtspopulisten in Deutschland auch in Betrieben und Verwaltungen zu Vorfällen kommt, bei denen man sich einmischen muss." Freilich gibt es "unterschiedliche Varianten, wie eine AfD-Mitgliedschaft oder eine Mitgliedschaft in einer anderen rechtspopulistischen oder rassistischen Organisation im Zusammenhang mit ver.di in Erscheinung treten kann". Diese mögen bedacht und diskutiert sein, bevor man, vielleicht mit einer Ballade von Kontantin Wecker als Hintergrundmusik, gezielte Aktionen gegen diese Bastarde startet, den Ausschluss etwa, bevor es wieder zum Anschluss kommt. Mehr Handlungsanleitungen dafür – aber achten Sie auf Konspiration! – gibt es hier. (Offenbar waren die Rechten den couragierten Gewerkschaftlern so sehr auf den Fersen, dass jene ihre Spuren im Netz verwischen mussten, sie tauchen freilich immer wieder auf, hier etwa. Rot Front, Genossen, und durchhalten!)
Beeindruckend auch das antifaschistische Engagement der "Fachstelle Jugendhilfe des Kulturbüro Sachsen e.V.", verkörpert und poesievoll geronnen in der Broschüre "Ist die Kita ein Schutzraum vor Gesellschaft und Politik? – Ein Praxisratgeber des Kulturbüro Sachsen e.V. zur interkulturellen Öffnung für Pädagog*innen im Kita-Bereich" (hier). Die Beratung der Praktiker*innen bezieht sich, bevor es "vom Schweinefleisch zum neuen Leitbild" geht, speziell auf die Auseinandersetzung mit "Nazis" in der Kita: "In einigen Regionen Sachsens häuften sich Anmeldungen von Kindern in Kitas, deren Eltern lokal als 'Rechte' bekannt sind. Auch bundesweit meldeten 'Nazis' ihre Kinder in Kitas an. (...) Die Einführung einer Kindergartenpflicht ist umstritten. Immerhin geben etwa 90% aller Eltern ihre Kinder in die Kitas. So ist rein hypothetisch durchaus denkbar, dass genau die fehlenden 10% der Eltern die Nazis sind, die ihre Kinder nicht in den Kindergarten bringen. Einzelne Beratungsfälle, bei denen prominente Nazis dann doch ihre Kinder in Kitas brachten, lassen aber andere Schlüsse zu. So lautete eine Anfrage an uns aus einer Einrichtung in Westsachsen: 'Was tun, wenn Kinder in der Einrichtung sind, deren Eltern mir als Nazis bekannt sind?' Diese Einschätzung der Eltern als Nazis ist eine subjektive und beruht auf persönlichen Erfahrungen der Fragenden. Die damit verbundene Frage war: 'Gibt es eine Erste Hilfe gegen Nazis als Eltern in der Kita?'"
Der Vorschlag wird derzeit in der Widerstandsregierung Merkel III diskutiert. Als mögliche Notrufnummern sind die 88 und die 18 im Gespräch.
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"Ein Auto raste in eine Menschenmenge." – "Panzer drangen in Russland ein." – Steckt Skynet dahinter?
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"Täter war 52jähriger Brite", meldet Spiegel online zum Londoner Einzelfall. Die Zeile "Täter war ein 1,82 m großer Brite" hätte mich ähnlich enthusiasmiert. Der verwirrte Einzeltäter hieß Khalid Masood. Sein Vorname stammt aus dem Arabischen und bedeutet so viel wie der Unsterbliche. Masoud wiederum heißt der Glückliche. Ungefähr seit der Schlacht bei Culloden gelten beide Namen als britisch.
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Heute Nacht wird das Brandenburger Tor in den britischen Farben angestrahlt. Ob sich der islamische Terrorismus von diesem heftigen Konter erholt?
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Im Zusammenhang mit den Neu-Dresdner S-Bahn-"Schubsern" weist mich Leser *** auf ein vergleichbares Urteil hin, das gegen zwei deutsche Straftäter gesprochen wurde, die einen Pakistaner auf dem Bahnhof von Zerbst (Sachsen-Anhalt) überfallen, geschlagen und verletzt auf den Bahngleisen liegengelassen hatten. Das Landgericht Dessau-Roßlau verurteilte den 23jährigen Haupttäter wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung zu sechseinhalb Jahren Gefängnis. Sein Mittäter bekam vier Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte auf versuchten Mord plädiert. Auch diese Angeklagten sollen zur Tatzeit betrunken gewesen sein.
Es handelt sich um ein vollkommen angemessenes Urteil. Das Problem ist der Dresdner Staatsanwalt.22. März 2017
Man soll sagen: Er war ein Organismus, der Äthanol in Träume verwandelte.
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In kleinerer Runde macht ein Bekannter darauf aufmerksam, dass Roland Tichy und Heiko Maas mit ungefähr der gleichen Zahl von Followern auf Twitter aufwarten könnten – 129.000 der eine, 130.000 der andere –, doch während die Leser des Journalisten überwiegend real seien, handele es sich bei jenen des Justizministers zu großen Teilen um digitale Gespenster. "Die Twitter-Gefolgschaft von Politikern besteht oft aus Social-Bots und Fake-Profilen", meldete die FAZ vor kurzem. Auch unser oberster Fake-News-Verfolger versende seine Meldungen überwiegend an gefakte Personen: Knapp 61.000 seiner Gefolgsleute seien falsch, nur 51.000 echt (hier). Der Follower-Vergleich scheint einen ehedem berühmten anderen ersetzt zu haben.
Man könnte auch so formulieren: Die twitter-Einlassungen des Herrn Maas gehen zu einem größeren Teil an generierte als an degenerierte Personen.
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Unser überwältigend neuer Bundespräsident hat in seiner ersten Rede zwar vor lauter Rechtspopulismus den islamischen Terrorismus übersehen, aber man darf Gefahren schließlich nicht an der Zahl der Todesopfer messen, dann sonst müsste Steinmeier ständig über den Krebs reden und niemals über den Atomausstieg. In seiner Rede zitierte der einstige Außenminister den einstigen israelischen Präsidenten Shimon Peres, der die Frage einer jungen Frau, was die Zukunft bringen werde, mit einem Gleichnis beantwortete, nämlich:
"'Die Zukunft', sagte er, 'ist wie ein Kampf zweier Wölfe. Der eine ist das Böse, ist Gewalt, Furcht und Unterdrückung. Der andere ist das Gute, ist Frieden, Hoffnung und Gerechtigkeit.'
Die junge Frau schaute fasziniert und fragte ganz gespannt zurück: 'Und – wer gewinnt?'
Peres lächelte und sagte: 'Der, den du fütterst.'"
Steinmeier folgert souverän bzw. populistisch: "Du hast es in der Hand! Wir haben es in der Hand! Das war seine Botschaft an die jungen Leute."
Ach was. Peres wollte zu Tisch und der Maid, einer Studentin übrigens, zuvor irgendetwas Nettes sagen. Hätte die Gute ein vernünftiges Fach studiert, sie hätte als nächstes gefragt: "Aber Herr Peres, wie erkenne ich, welcher Wolf der Gute und welcher der Böse ist? Sie gleichen ja einander wie Wölfe, und nach allem, was man weiß, sind in unseren Tagen speziell die bösen Wölfe bestrebt, sich als Gutwölfe zu verkaufen. Wie vermag ich die Unterscheidung zu treffen? Und was geschieht, wenn ich den bösen Wolf füttere, weil er sich am überzeugendsten als Gutwolf zu verkaufen wusste?"
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Wenn die Meinungskorridore immer enger werden, wächst die Sorge, sich an deren Wänden Schrammen zu holen. Ein Symptom dafür mag sein, dass auch eher konservative Intellektuelle inzwischen vor jedem nichtnegativen Statement über die AfD zu betonen pflegen, sie hätten mit dem Schwefel-Detachement des Politikbetriebs nichts zu schaffen ("Ich bin kein Sympathisant dieser Partei, aber wie man mit ihr umgeht, ist nicht recht"; "Man muss Frau Petry oder Herrn Gauland nicht mögen, aber was sie da sagen, ist ja nicht falsch" etc. pp). Es handelt sich um eine Art von öffentlicher ritueller Waschung, mit welcher man bekundet, noch zur akzeptierten Gesellschaft zu gehören. Sogar bei der Verurteilung von Gewalttaten kommt jenes rhetorische Mittel in Gebrauch ("Mich verbindet inhaltlich wenig mit dieser Partei, aber dass man die Autos von AfD-Politikern anzündet/die Häuser von ihnen angreift/ihre Kinder mobbt..." etc.). Ähnlich grotesk wirkt es, wenn bei wahlprognostischen Umfragen die Zustimmung zur Tschandala-Partei niedriger liegt als bei den Wahlen selbst, weil viele Leute ihre politische Präferenz außerhalb der Wahlkabine nicht zu offenbaren wagen. Was in gewissem Sinne gegen die Kabine spricht.
Für Journalisten ist es vollkommen unmöglich geworden, neutral über die "Rechtspopulisten" und ihr Umfeld zu berichten, aber die meisten kämen ja gar nicht erst auf den Gedanken. Ein Medienschaffender von der FAZ hat ein Buch über die AfD geschrieben und erteilt darin den anderen Parteien Ratschläge, wie die Schändlichen zu behandeln und zu bekämpfen seien, ganz unabhängig und in allen Ehren versteht sich. Der Werbedienstleister Ströer wird genötigt, Erklärungen abzugeben, warum er die Wahlwerbung der AfD überhaupt plakatiere. Das ist zwar rechtens und Usus und gut demokratisch, doch die gesamte Zivilgesellschaft ist dagegen, und wenn Hotels den Parias den Zutritt verweigern können, dann sollten sich auch Werbeflächenvermieter zivilgesellschaftlich beflügelt in den Sturmbann couragierter Boykotteure einreihen, herrschaftszeiten und Höcke verrecke! Die Kirchen, Gewerkschaften, Universitäten, Theater, Verlage, Parteien, Sportvereine und der Herr Schulz von der globalistischen Internationale machen es doch vor! "Auf 'ethnische Säuberungen' folgen 'ethische Säuberungen'" (Frank Lisson, "Weltverlorenheit").
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Das lauschige, für seine Toleranz und seinen Mut zur Straßenumbenennung bekannte Freiburg sei "immer noch die kriminellste Stadt" in Baden-Württemberg, meldet die Badische Zeitung. Weiter heißt es: "In Freiburg sind mehr Nicht-Deutsche unter den Tatverdächtigen, als im Landkreis: 42,8 Prozent haben keinen deutschen Pass. Von insgesamt 4443 tatverdächtigen Ausländern waren 1759 Asylbewerber beziehungsweise Flüchtlinge." Tja, Rechtspopulisten und Salon-Hetzer, sogar in der kriminellsten Stadt im Ländle werden die meisten Straftaten von Deutschen begangen.
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Die Stalinade des Tages: Während des 20. Parteitages der KPdSU bekam Chruschtschow einen Zettel zugeschoben, auf dem geschrieben stand: "Wo waren Sie früher, Genosse, als Stalin noch lebte?" – "Wer hat diesen Zettel geschrieben?", fragte Chruschtschow mit drohender Stimme in die Runde. Niemand meldete sich. Darauf Chruschtschow: "Sehen Sie, Genosse, ich war früher dort, wo Sie jetzt sind."
19. März 2017
Die zweite deutsche Demokratie hat heute ihren Zenit und womöglich ihre Bestimmung erreicht. Unser Martin Schulz – er lebe hoch! Hoch! Hoch! – ist mit 100 Prozent der abgegebenen Stimmen zum neuen Vorsitzenden der SPD gewählt worden. Er bekam 605 von 605 Stimmen. Anschließend wurde er einstimmig auch zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl erklärt. "Das ist ein überwältigender Moment für mich und für uns alle", sagte Schulz und gab damit in bester SED-Generalsekretärsmanier vor, was die Parteisoldaten zu empfinden hätten. Man muss den kollektiven, ja kollektivistischen Elan der geplagten Hellroten verstehen, ihre durchaus traditionsreiche Partei war in einigen Bundesländern auf das Level eines größeren Karnevals- oder Kegelclubs geschrumpft, die Angst vor der Einstelligkeit ging um, mochte Ralf "Freiligrath" Stegner auch twittern und reimen, was das Harthirn hergab. Nun naht aus Brüssel-Würselen der Große Bonze für den Endkampf gegen die Kanzlerin, mit der er jede Position teilt außer denen, die sie rasch noch verlassen wird. Was für ein seliges Land, das, kaum ziehen Wolken auf am fernen Horizont, zwei Politiker solchen Karats und Kalibers aufbieten kann, den Feinden der 100 Prozent-Zustimmung und Standing Ovations zu wehren!
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Schulz wiederholte bei der anschließenden Grußadresse an seine Claque den der Hetzmeute die Richtung weisenden Satz, die AfD sei "eine Schande für die Bundesrepublik", ließ aber wenig Zweifel aufkommen, dass er die Rechtspopulisten aus dieser Rolle verdrängen werde.
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Jetzt mal unter uns, Betschwestern und -brüder, wenn Sie sich jemals in einem Saal aufhalten, in dem Ihnen auch nur 62 Leute unisono zustimmen und frenetisch applaudieren, dann überlegen Sie nicht lange, was Sie Dummes gesagt haben mögen, sondern machen Sie, dass Sie davonkommen. Einhelligkeit ist eine Eigenschaft von Barbarenhorden.
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Oder von Kaderparteien. Das bringt mich zur Stalinade des Tages. Im sowjetischen Schriftstellerverband diskutierten die Genossen Literaten den neuen Roman von Ilja Ehrenburg "Sturm". Dutzende von Diskussionsteilnehmern verrissen das Buch, einer sprach von "opportunistischem Mist". Ehrenburg blieb seltsam ruhig, obwohl solche Kritiken schon mal mit der Verhaftung des Autors enden konnten. Er ließ die Verrisse über sich ergehen, dann holte er einen Zettel aus der Tasche. Es gebe auch andere Meinungen über sein Werk, beteuerte er. "Darf ich Ihnen ein Telegramm vorlesen? 'Ich habe den Sturm mit großem Interesse gelesen. Gratuliere zu dem Erfolg. Stalin.'"
Lähmendes Schweigen breitete sich aus im Saal. Der Vorsitzende gratulierte Ehrenburg zu seinem großen Wurf und schloss die Sitzung.
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Aber die Sonntage immer den Künsten! Leser *** empfiehlt "angesichts des Umganges freiheitsliebender Völker mit türkischen Großmachtsfantasien in der letzten Woche" eine Bildbetrachtung zu Ilja Repins Gemälde "Die Saporoger Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief" (beendet 1891). Einverstanden. Das Bild hat mich schon als Zwölfjährigen amüsiert. Die rauhen, wilden, stolzen, jederzeit totschlagsbereiten Gesellen, die dem schelmisch-schlauen Schreiber über die Schulter schauen und die von ihm zu Papier gebrachte Schimpfsuada teils quietschvergnügt, teils mit brüllendem Gelächter quittieren, imponierten mir.
Die anekdotische Szene spielt anno 1676. Der Legende nach antworteten die am unteren Dnepr lebenden Kosaken mit diesem Brief auf eine Depesche des Sultans Mehmed IV., der sie zu Beginn des Osmanisch-Russischen Krieges zur Unterwerfung unter die Hohe Pforte aufforderte. Der Text des Briefes soll gelautet haben:
"Du türkischer Teufel, Bruder und Genosse des verfluchten Teufels und des leibhaftigen Luzifers Sekretär! Was für ein Ritter bist du zum Teufel, wenn du nicht mal mit deinem nackten Arsch einen Igel töten kannst? Was der Teufel scheißt, frisst dein Heer. Du wirst keine Christensöhne unter dir haben. Dein Heer fürchten wir nicht, werden zu Wasser und zu Lande uns mit dir schlagen, gefickt sei deine Mutter! Du Küchenjunge von Babylon, Radmacher von Mazedonien, Ziegenhirt von Alexandria, Bierbrauer von Jerusalem, Sauhalter des großen und kleinen Ägypten, Schwein von Armenien, tatarischer Geißbock, Verbrecher von Podolien, Henker von Kamenez und Narr der ganzen Welt und Unterwelt, dazu unseres Gottes Dummkopf, Enkel des leibhaftigen Satans und der Haken unseres Schwanzes. Schweinefresse, Stutenarsch, Metzgerhund, ungetaufte Stirn, gefickt sei deine Mutter!
So haben dir die Saporoger geantwortet, Glatzkopf. Du bist nicht einmal geeignet, christliche Schweine zu hüten. Nun müssen wir Schluss machen. Das Datum kennen wir nicht, denn wir haben keinen Kalender. Der Mond ist im Himmel, das Jahr steht im Buch und wir haben den gleichen Tag wie ihr. Deshalb küss unseren Hintern!"
Man sieht, der Herr Böhmermann steht in einer gewissen Tradition. Ich sehe nur die wilden Kerle nicht, die sich im Zweifelsfall mit den Truppen des Sultans schlagen werden.
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Gestern schrieb ich von zwei uns kürzlich aus Nordafrika Zugelaufenen, die in Dresden einen Einheimischen aufs Bahngleis stießen, der nur überlebte, weil die einfahrende S-Bahn eine Notbremsung einleitete. Heute wird gemeldet, dass ein Staatsanwalt die beiden Kreaturen wieder auf freiem Fuß setzte und gegen sie nur wegen gefährlicher Körperverletzung – und keineswegs wegen versuchten Totschlags – ermittelt wird. Zum Mitschreiben: Zwei Typen stoßen einen Menschen vor die einfahrende Bahn, einer versucht ihn mit Tritten daran zu hindern, auf den Bahnsteig zurückzuklettern – und diese AfD-Wahlkampfhelfer befinden sich auf freiem Fuß.
18. März 2017
Knapp 200 jahre nach seiner Niederschrift durch die Brüder Grimm beugt sich ein deutsches Volksmärchen der normative Kraft des Faktischen und wird umgeschrieben. Fortan muss es heißen: "Etwas Besseres als Bremen findest du überall."
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Die Deutsche Bischofskonferenz hat die AfD offiziell als für Katholiken nicht wählbar erklärt. Strenggenommen haben die Bischöfe, da sie ja keinem politischen Verein vorstehen, statuiert, dass jenes Christentum, wie sie es verstehen, nicht mit der AfD und ihren Mitgliedern zusammenpasst. Was die AfD übrigens von NSDAP und SED unterscheidet, aber noch herrscht sie ja nicht. Und schließlich ist nur der Papst ein Pontifex maximus, nicht aber die Bischöfe, die dürfen auch schon mal nach dem – übrigens von mir stammenden und von mir präferierten – Motto handeln: Lasst uns Mauern über Gräben bauen!
Linkspartei, Piraten und Grüne hingegen passen zu jenem Christentum der Zöllner, wie es von der deutschen katholischen Kirche verstanden wird. Am meisten aber tut dies sowieso der Islam, wie zuletzt die Chefkleriker Marx und Bedford-Strohm zu Jerusalem demonstriert haben, als sie ihre Kreuze ablegten, um in der Al-Aksa-Moschee jenem einzigen Gott ihre Aufzuwartung zu machen, der niemals einen Sohn gezeugt hat.
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Noch nicht hinreichend gewürdigt beim beifälligen Bebrummel der Buntwerdung unseres langweiligen Landes ist ein neues Willkommensdankspiel, das an Bahngleisen stattfindet, für einen der Mitspieler sogar auf dem Bahngleis. Immer öfter werden neuerdings Menschen, die schon länger hier leben, von Männern, die noch nicht lange (wenngleich womöglich dennoch schon viel zu lange) hier leben, auf Bahngleise "geschubst" (nicht etwa "gestoßen"). Sogar in Pegida-Land, wo sonst Dunkelsachsen mit ihrer Fremdenfeindlichkeit täglich Gassi gehen: "Am frühen Freitagmorgen hat es am Haltepunkt Dresden-Zschachwitz eine körperliche Auseinandersetzung zwischen drei Männern gegeben", meldet die Sächsische Zeitung. "Gegen 4.45 Uhr stieg ein 40-jähriger Mann aus der S-Bahn aus und wurde dabei von zwei Personen verfolgt, die anschließend Feuer für ihre Zigaretten verlangten. Als der Angesprochene dieser Aufforderung nicht nachkam, attackierten die beiden Männer den Reisenden. Ein Täter warf das Fahrrad des Geschädigten gegen ihn, woraufhin der Mann auf die rund einen Meter tiefer liegenden Gleise stürzte. Im Anschluss versuchte er, wieder mit seinem Fahrrad auf den Bahnsteig zu gelangen. Daran wurde er von einem der Angreifer mit Fußtritten gehindert. Parallel zu den körperlichen Attacken fuhr die S-Bahn in Richtung Dresden in den Haltepunktbereich ein. Der Lokführer bemerkte die Auseinandersetzung und leitete sofort eine Schnellbremsung ein. Der Zug kam nur wenige Meter vor dem Geschädigten zum Stehen. Die beiden Angreifer flüchteten."
Die Bundespolizei konnten die Tatverdächtigen, einen 23-jährigen Marokkaner und einen 27-jährigen Libyer, dingfest machen. Beide Täter waren bereits "polizeibekannt". Wir empfehlen nächtlichen Bahnreisenden eine "mürrische Indifferenz" (Herfried Münkler).
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Zeitgenossen, die Windräder auf Gebirgskämmen ertragen, kommen auch mühelos über die Ekelbildchen auf Zigarettenschachteln hinweg. Das gute Gewissen der Windradaufsteller und Kampagnenmacher ist schon etwas schwerer zu ertragen.
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Die Stalinade des Tages: Außenminister Molotow ging dem roten Zaren mit der Bemerkung auf die Nerven, dem Zugriff auf die Dardanellen und den Bosporus stünden die geopolitischen Ansprüche der Türken im Wege. "Die Türken! Die Türken!" schnaubte Stalin. "Wieviele gibt es denn von denen?"
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Apropos: Sultan Recep der Prächtige fordert seine in der EU lebenden Landsleute – ist das Wort noch bekannt hier? – dazu auf, mehr Nachwuchs zu zeugen. Den Krieg der Wiegen versteht er als "Antwort" auf Ungerechtigkeiten, die Türken im Westen erfahren (Die jeweilige Landessprache als Hauptsprache an den Schulen statt türkisch? Zu wenig Kindergeld? Deutsche Schlampe ruft nicht zurück?). "Macht nicht drei, sondern fünf Kinder", rief Erdogan bei einer Wahlkampfveranstaltung im westtürkischen Eskisehir.
Und weiter sagte er: "Von hier aus appelliere ich an meine (sic!) Bürger und Brüder in Europa: Da wo ihr arbeitet und lebt, ist nun Eure Heimat. Gründet noch mehr Betriebe. Schickt Eure Kinder in bessere Schulen. Lasst Eure Familien in besseren Stadtteilen leben. Steigt in die besten Autos. Wohnt in den schönsten Häusern." Wenn sie aber alle fünf Kinder gezeugt und die Eingeborenen irgendwann verdrängt haben, wer bezahlt dann die schönsten Häuser und baut die besten Autos? Machen sie selber? Wie in der Türkei? Na dann ist ja gut.
Auf Groß-Schilda gewendet, lautet die Frage: Werden die Deutsch-Türken so blöd sein, in Deutschland sukzessive Verhältnisse herzustellen, wie sie in der Türkei unter Erdogan herrschen? Und wenn ja, haben sie nichts Besseres verdient. Und die deutschen Kartoffeln, die sie gewähren lassen, sowieso nicht.
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Einem richtigen Kerl ist nichts peinlicher als ein schwacher Gegner.16. März 2017
Wer Erfolg haben will, muss sich zum Komplizen des Absurden machen. Es ist eine sanfte Komplizenschaft; die meisten bemerken sie nicht einmal.
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Bei den Wahlen in den Niederlanden haben die regierenden Rechtsliberalen um Premier Mark Rutte fünf Prozentpunkte und acht Parlamentssitze verloren (33 statt 41), der sozialdemokratische Koalitionspartner PvdA kollabierte nahezu und büßte 29 von 38 Mandaten ein. Zusammen haben die Regierungsparteien also 37 Parlamentssitze abgeben müssen, ungefähr die Hälfte ihrer Macht. So sehen medial umgarnte und beklatschte Wahlsieger aus, seit es den Rechtspopulismus gibt! Wir erinnern uns an die Landtagswahlen 2016 in Groß-Schilda, wo die Repräsentativdemokraten trotz aller Stimmverluste ebenfalls insgesamt glorreich gewonnen hatten. Die holländischen Rechtspopulisten legten übrigens von 15 auf 20 Sitze zu und wurden zweitstärkste Partei. Sie sind der klare Wahlverlierer und sollten eigentlich kollektiv in die Nordsee gehen.
"Was passiert nun mit Wilders?", sorgt sich Spiegel online. Für den Oppositionsführer sei dieser Wahlausgang "wohl die bitterste Niederlage seiner Politkarriere". Aber ein Rücktritt komme für ihn nicht in Frage, denn "was sollte der 53-Jährige den Rest seines Lebens lang machen? Freunde hat er laut seinem Bruder Paul kaum noch, mit Teilen der Familie hat er sich verkracht. Und früher oder später, so hofft er, kommt wieder seine Zeit."
Falten wir kurz die Hände zum stillen Gebet für all jene professionellen Diener im Weinberg der deutschen Demokratie, die kaum noch Freundschaften pflegen, sich aber mit ihren Verwandten zoffen, beten wir, dass sie die schwere Last auch fürderhin schultern werden, bis wieder ihre Zeit kommt. Denn wer würde einen Politiker wählen, der mit 53 immer weitermachen will, obwohl er Krach mit Teilen seiner Familie und bei der letzten Wahl lediglich 33,3 Prozent mehr Mandate hinzuverloren hat? In keinem Parteiprogramm, nicht einmal bei den Grünen, ist dergleichen vorgeschrieben. – Gebetspause beendet.
Ja, was passiert nun mit Wilders? Mag er wirklich mit seinen bereits 53 Jahren immer weitermachen? Will er sich weiter hinter einem Wall aus Bodyguards verkriechen, anstatt sich rasch mit seinem Bruder Paul zu versöhnen und danach die Hauptrolle in einem Hinrichtungsvideo zu übernehmen, wofür er mit seinem prägnanten, blondhaarumstandenen Käskopp wie kein zweiter geeignet ist? Spiegel online würde sogar distanziert darüber berichten.
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PS: Demnächst im Angebot:
15. März 2017
Der Sächsische Landtag – und wohl nicht nur jener – veranstaltet eine aktuelle Stunde zu den Römischen Verträgen, die vor 60 Jahren unterzeichnet wurden und inzwischen gemeinhin als Gründungsdokument der EU gelten. Ein Bestandteil der Römischen Verträge, von dem man heute nichts hört, war übrigens die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM). Die EURATOM wurde am 25. März 1957 gegründet und besteht bis heute unverändert fort. Sie teilt mit der EU sämtliche Organe. Der von Angela Merkel initiierte deutsche Ausstieg aus der Atomenergie – der populistischste Akt in der Geschichte der Bundesrepublik – hat Deutschland in Europa ebenso isoliert wie die Energiewende und die Förderung der Masseneinwanderung. Die Grundidee von EURATOM ist die friedliche Nutzung der Kernenergie. Dank Merkel hat sich Deutschland nicht nur aus dieser Technologie verabschiedet und nimmt die sichersten Meiler der Welt peu à peu vom Netz, nein, das Land, in dem die Kernspaltung entdeckt wurde, hat sich auch weitgehend aus der Kernenergieforschung verabschiedet. Sollte irgendwann eine Technologie der Atommüll-Wiederaufbereitung entdeckt werden, stehen wir als die Deppen des Planeten da. Heute ist ein guter Tag, daran zu erinnern.
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Wer war damals in Rom nicht mit von der Partie? Richtig, die Briten. Das Gründungsdokument der EU hat den Brexit quasi antizipiert.
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Europa hat ein Parlament, in dem der Grundsatz "One man, one vote" nicht gilt. Eine in Schweden abgegebene Stimme zum Beispiel zählt fast doppelt so viel wie eine deutsche, nämlich 1,8fach – Schweden hat 9,5 Millionen Einwohner, und 20 Sitze im EU-Parlament entfallen auf schwedische Abgeordente (Deutschland: 81 Millionen Einwohner, 96 Sitze, die ganze Verteilung hier). Eine griechische Stimme zählt 1,6 mal so viel wie eine deutsche (11 Millionen Einwohner, 21 Sitze), eine zypriotische 6,3fach (0,8 Millionen, 6 Sitze), eine aus Malta gar zehnmal so viel (0,5 Millionen, 6 Sitze). Was wäre das für ein Parlament, wo ein Bremer eine weit gewichtigere Stimme hat als ein Bayer und in keinem Bundesland die Stimmen soviel zählen wie im anderen?
Aber wir wollen schließlich die alten Nationalismen überwinden, insofern ist es doch egal, welchen Pass die Abgeordneten besitzen! Außerdem hat das Europarlament gegenüber den Brüsseler Spitzen noch viel weniger zu melden als der Bundestag gegenüber der Merkel-Administration; es ist also doppelt gleichgültig, wer dort seine Zeit absitzt und Diäten einstreicht.
Leser *** macht auf den Bundesrat aufmerksam, wo eine ähnliche Ungleichwertigkeit der Stimmen herrsche. In der Tat: 13 Millionen Bayern haben 6 Sitze, eine halbe Million Bremer drei. Eine Bremer Stimme ist 13mal wertvoller als eine bayerische. Ebenfalls nur sechs Sitze hat NRW bei sogar 18 Millionen Einwohnern, während Schleswig-Holsteins drei Millionen mit vier Sitzen vertreten sind. Die BRD ist eben keine Demokratie, sondern eine repräsentative Demokratie.
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Die Stalinade des Tages: Bei einem der regelmäßigen nächtlichen Besäufnisse im Kreml – Stalin achtete sehr darauf, dass alle führenden Genossen sich gründlich betranken – forderte der вождь das Politbüromitglied Nikita Chruschtschow auf, für die Versammelten zu tanzen. Chrutschschow ließ sich nicht lange bitte und tanzte wie ein Derwisch.
"Wenn Stalin sagt: tanze", erklärte er später gegenüber dem Politbüromitglied Anastas Mikojan, "dann ist es am besten, du tanzt."
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Heute tanzen manche Apparatschiks sogar schon, wenn eine Merkel pfeift, nicht wahr Gröhe, verdruckster vaterländischer Fähnchenwedler? Doch bald werden die politischen Antänzer uns zu erzählen versuchen, dass sie damals unter der übergeschnappten Kanzlerin nur das Schlimmste verhütet hätten...
14. März 2017
"In den nächsten Tagen zeigt sich das Wetter in der Region Washington zunächst bedeckt, am Donnerstag dann teils bewölkt, teils freundlich. Dabei fällt am Dienstag Schnee. Es wird kälter in der Region Washington: Von 4 Grad am Dienstag gehen die Höchstwerte auf 0 Grad am Mittwoch zurück. Vor allem am Mittwoch weht ein zum Teil stürmischer Wind aus nordwestlicher Richtung." So der Wetterbericht für Washington D.C., wo Donald Trump wegen eines Schneesturms für heute ein Treffen mit Angela Merkel absagen ließ, mit jener Frau, die nach seinem Wahlsieg verkündet hatte, wenn der neue US-Präsident sich an die Regeln halte, werde sie mit ihm kooperieren.
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Die heutige Stalinade: Nach den Atombombenabwürfen der Amerikaner befahl der sowjetische Führer als "Aufgabe Nr. 1" die Konstruktion einer eigenen Bombe. Geheimdienstchef Beria erhielt den Oberbefehl über das Projekt. Neben zehntausenden Arbeitern und Technikern wurden auch viele bedeutende Physiker wie Kurtschatow und Sacharow unter sozusagen Edel-GULag-Bedingungen eingepfercht, um den nuklearen Pattzustand mit den USA herzustellen. Da sich Beria in alles einmischte, kam es ständig zu Auseinandersetzungen mit den Physikern. Einer von ihnen, Pjotr Kapiza, sagte dem berüchtigten Geheimdienstchef ins Gesicht, er verstünde nichts von Physik und möge sich gefälligst heraushalten. Die Sache kam vor Stalin. Der beruhigte Beria mit den Worten: "Lassen wir sie in Ruhe die Bombe bauen. Erschießen können wir sie später immer noch."
13. März 2017
Mit Blick auf das 100. Jubiläum der Großen Oktoberrevolution sei hier gelegentlich eine Stalinade zitiert. Zum Beispiel jene: Jakow Jurowski, die mit der Ermordung der Zarenfamilie führend betraute schöne Seele, schlug Stalin einige Jahre später vor, ein Buch über das Massaker an den Romanows zu publizieren. Stalin lehnte die Idee ab mit den Worten: "Jakow Michailowitsch, nicht alles eignet sich zum Prahlen."
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Das größte Interesse an der Stigmatisierung und Verfolgung sogenannter Fake News haben hierzulande diejenigen, die das Monopol besitzen, unerwünschte Nachrichten zu beschneiden, zu zensieren oder ganz zu unterdrücken. Die angeblich gefälschten Neuigkeiten sind ja oftmals nur Gerüchte über nicht gemeldete Vorfälle, deren Inhalt – wie im Kinderspiel "Stille Post" – auf dem inoffiziellen Übermittlungsweg modifiziert, vergröbert, entstellt worden ist, ohne im Kern falsch zu sein. Wären Fake News komplett erfunden, ließen sie sich schließlich leicht widerlegen. Gerade weil sie glaubwürdig sind und viele in der Bevölkerung kursierende Sorgen und Befürchtungen stützen – und gerade weil die Bevölkerung weiß, dass seitens des Establishments ein Interesse an der Unterdrückung nicht genehmer Wahrheiten desto dringlicher vorliegt, je mehr es den Karren in Richtung Wand steuert –, stehen Fake News auch dann auf dem Index, wenn sie zur Hälfte stimmen.
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Der niederländische Politiker Geerd Wilders, Vorsitzender der Partij voor de Vrijheid, hat einen Personenschutzstatus wie der Papst. Warum nur, wenn die von ihm heraufbeschworene Gefahr gar nicht so schlimm ist, wie er sie darstellt?
12. März 2017
Die Sonntage immer...
Heute Abend hospitierte ich der Pianistin Khatia Buniatishvili im Prinzregententheater, wo sie Beethoven, Schubert und Liszt darbot. Der Saal war, wie man sagt, rappelvoll – ganz anders als vor kurzem der Herkulessaal beim Auftritt von Radu Lupu, aber der ist auch bloß ein Jahrhundertpianist –, und gleich nach dem ersten Satz der "Pathetique" brach das Publikum in Beifall aus. (Ich musste spontan an den Bericht eines Musikers denken, der im Weißen Haus vor dem Inner Circle der Kennedy-Administration ein Streichquartett gespielt hatte und leicht indigniert zur Kenntnis nehmen musste, dass die planetarische Elite nach jedem Satz brav applaudierte. Was sollen schließlich auch diese starren Konventionen?) Die für ihre engen und rückseitig freizügigen Kleider berühmte, wenngleich diesmal nahezu züchtig gewandete Pianistin setzte ihr Quid pro quo bei der ersten Zugabe, als sie von Liszts zweiter Ungarischen Rhapsodie nur die letzten drei Minuten spielte. Aber vielleicht ist das eine Überinterpretation meinerseits, und sie hatte von Anfang an vor, dem Publikum genau diesen halben Knochen hinzuwerfen.
10. März 2017
Ein Münchner Kino hat eine Filmreihe eröffnet, die sich „Kino für Toleranz“ nennt. Als erster Streifen läuft seltsamerweise die deutsche Komödie „Toni Erdmann“. Ich habe den Film zufallshalber gesehen und weiß nicht recht, inwieweit er das Motto bedienen soll, denn kein einziger Vertreter der üblicherweise zu tolerierenden Kollektive kommt darin vor. Der Film rang mir zwei- oder dreimal ein Lachen ab, doch insgesamt verspürte ich am Ende eher den Drang, mich zu duschen. Auf eine sehr typisch gegenwartsdeutsche Weise ist das weitbeschreite und gar bis zur Oscar-Nominierung nobilitierte Werklein mit peinlichen und unappetitlichen Szenen durchsetzt, einer Firmen-Nacktparty etwa oder einer Passage, in welcher der Liebhaber der weiblichen Hauptperson vor ihren Augen auf ein Törtchen ejakuliert, welches sie dann mehr ungerührt denn genüsslich verspeist. Die Altersbeschränkung des Films liegt bei 12 Jahren. In Begleitung eines Erwachsenen, teilt das Kino auf seiner Webseite mit, dürfen aber auch schon Sechsjährige dabei zuschauen, wie der ulkige Onkel an seinem Piesimann herumrubbelt und Quatsch mit dem Naschwerk macht. Wer das nicht tolerieren mag, ist wahrscheinlich falsch im „Kino für Toleranz“.
9. März 2017
"Entschuldigen Sie, dass ich so viel von mir rede, aber Sie können sich ja auch sagen, dass ich von Ihnen rede."
Proust an Gaston Gallimard, 23. März 1921
"Jeden Menschen, der will, dass man von ihm spricht, sollte man als möglichen Feind betrachten."
Cioran, Notizen
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Es gab in der jüngeren deutschen Geschichte keinen populistischeren Akt als den Atomausstieg der Kanzlerin.
Da dieser Exitus auch die Atomenergieforschung einschloss, werden sich seine tatsächlichen Folgen erst im Laufe von Jahrzehnten enthüllen. Auch das passt zum Populismus.
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Leser *** sendet "Grüße aus dem ‚nicht denkenden Teil der Bevölkerung’ (C) Paul Ingendaay, FAZ 09.03."
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Beim Betrachten der Fotos von Gender-Aktivist_innen immer die Frage, wo diese Wesen früher, in einer patriarchalischen Gesellschaft, geblieben wären. Und was unangenehmer ist: wenn eine Gesellschaft diese Armen als alte Jungfern und Spottgeburten verlacht oder wenn die Gesellschaft sie für das Aufhäufen von Theoriemüllhalden promoviert und alimentiert.
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Der Mann "aus dem ehemaligen Jugoslawien", der auf dem Düsseldorfer Hauptbahnhof mit einer Axt um sich schlug und diverse Menschen verletzte, trägt den arabischen Namen Fatmir H., ist also wahrscheinlich ein Bosniake oder Kosovare, ganz sicher aber ein "Einzeltäter" – der "Zentralrat der Einzeltäter" (Bernd Zeller) hat sich noch nicht geäußert –, und mit noch sicherer Sicherheit befand er sich in einer "psychischen Ausnahmesituation". (Was sollte, Genossen Journalisten, eigentlich dieses: Er stammte aus dem ehemaligen Jugoslawien? Gibt es noch ein anderes Jugoslawien außer dem ehemaligen? Ganz sicher, dass es sich nicht auch um das ehemalige Osmanische Reich handelt?)
Wieder einmal fragt man sich, warum so selten christliche Neubürger oder vietnamesische Einwanderer oder echte Eingeborene in dergleichen Ausnahmesituation geraten und wenigstens in der Öffentlichkeit amokläuferisch mit dem Waffeleisen um sich schlagen. Gibt es etwa innerhalb gewisser Menschengruppen ein spezielle Disposition dafür, in psychische Ausnahmesituationen zu geraten und darauf mit aggressiver Verwirrung zu reagieren? Dies nur mal so gefragt aus dem empirisch halbwegs unterfütterten Verdacht, dass Ausnahmen zur Regel werden können.
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Wenn man sich die verfügbaren Zahlen zu den Suizidraten nach Ländern anschaut, stellt man fest, dass muslimische Ländern, sofern sie überhaupt auftauchen, sehr weit hinten liegen (hier). Was zumindest die Hypothese zulässt, dass es einen Menschenschlag gibt, der in psychischen Ausnahmesituationen eher autoaggressiv reagiert und Hand an sich selber legt, und einen anderen, der seine Aggressionen dann eher nach außen kehrt.
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Befand sich eigentlich A. Hitler auch in einer "psychischen Ausnahmesituation", als er seine Getreuen sammelte, um zur Feldherrenhalle zu marschieren?
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Es gibt im sächsischen Landtag einen "Raum der Stille". Ein "Raum der Stile" wäre auch nicht schlecht.8. März 2017
Wenn es eines Beweises bedürfte, dass der Begriff "Lückenpresse" die Wirklichkeit getreulich wiedergibt, wäre es die Nichtverbreitung des folgenden Zitates:
"Die Energiewende steht kurz vor dem Aus. Die Wahrheit ist, dass wir die Komplexität der Energiewende auf allen Feldern unterschätzt haben. Die anderen Länder in Europa halten uns sowieso für Bekloppte."
Also sprach der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel am 17. April 2014 bei einem Besuch des Unternehmens SMA Solar in Kassel. Dieses schnippische Lebewohl an den bereits damals auf mindestens 500 Milliarden Euro Kosten angelegten Versuch, die gesamte Energieversorgung der drittgrößten Industrienation der Erde völlig umzustülpen, wurde mitgeschnitten von einem Lokaljournalisten (hier), nahm seinen Weg in die Lokalnachrichten und von dort in viele Diskussionsforen. Was, geneigter Besucher dieses Eckladens, hätten Sie getan, wenn Sie ein Qualitätsjournalist bei einer der hiesigen überregionalen Premiumgazetten wären und von dieser ministeriellen Bankrotterklärung erfahren hätten? Schließlich hat Gabriel das teuerste und ehrgeizigste Projekt in der Geschichte der Bundesrepublik (bevor die Masseneinwanderung einsetzte und die Parole "Wir schaffen das" ausgegeben wurde; das könnte eventuell noch mehr kosten) für gescheitert erklärt. Nie hat einer unserer Pressstrolche Gabriel mit diesen Worten konfrontiert – er hätte sie ja immerhin dementieren können, was er bis heute nicht getan hat. Die Energiewende-Omertà funktionierte, ungefähr wie zwei Jahre später ein ähnliches kollektives Schweigen, denn meines Wissens hat auch kein Journalist Gabriel gebeten, er möge doch bitte einmal seine Worte "Europa steht vor der akuten Gefahr, zusammenzubrechen. Die Aufbauarbeit von zwei Generationen steht vor der erneuten Zerstörung" detaillierter erörtern, wobei diese Sätze wenigstens im stern gefallen waren und ein größeres Publikum sie zur Kenntnis nehmen konnte.
Die einzige offene Frage ist, ob man hier noch von Lückenpresse sprechen kann, oder ob das nicht an Verniedlichung grenzt.
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Einer Ministerin reißt endlich der Geduldsfaden: Manuela Schwesig fordert Frauenquote bei Nobelpreisen und in Schwulen-Pornos.
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Was würde ich tun, wenn ich Spindoctor bei der CDU, den Grünen oder der SPD wäre, um die AfD zu schwächen? Nun, ich würde die besten, trendigsten und anständigsten Journalisten versammeln und sie bitten: Haltet Björn Höcke ein Mikrophon hin! Haltet ihm drei, fünf, haltet ihm hundert Mikrophone hin! Fragt ihn nach den Zwölf Jahren! Immer wieder nach den Zwölf Jahren! Schreibt den Höcke-Flügel stark! Erklärt ihn zum am schnellsten wachsenden, einflussreichsten Teil der Partei! Und adelt Götz Kubitschek zum heimlichen Generalhauptobervordenker der Partei! Und vergesst nicht, Höcke ein Mikrophon hinzuhalten!
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Was Kubitschek angeht, möchte ich klarstellen, dass ich ihn achte und schätze. Es ist erfeulich, inmitten all der alerten, pfiffigen, körperspannungslosen, die Bereitschaft zu jeder Anpassung und jedem Verrat in ihren lebensspurenfreien Gesichtern tragenden intellektuellen Spitzbuben dieses Landes abwechslungshalber einmal einen Mann zu sehen. Was nicht heißt, dass mit ihm Politik zu machen ist. Das hätte ich noch vor einem Jahr einschränkungslos als Kompliment gemeint und heute beinahe ...7. März 2017
"Koalition erhält Goldene Kamera in der Kategorie Beste Regierung. – Grund zur Freude hatten auch Grüne und Linkspartei, sie wurden mit einer Goldenen Kamera für die beste Opposition geehrt." Wie immer buchenswert: Bernd Zeller.
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Zu meiner Notiz zum gemeinsamen Todestag von Prokofjew und Stalin erinnern mehrere Leser an die Tatsache, dass im kollektiven Taumel des Trauers um den roten Führer (вождь) der Tod des Komponisten vollkommen unterging, ja nicht einmal Blumen für Prokofjews Sarg übrig waren. Leser *** weiß, dass der später weltberühmte Cellist Mstislaw Leopoldowitsch Rostropowitsch in den letzten drei Lebensjahren des Komponisten auf dessen Datscha lebte und zitiert aus dem CD-Booklet von Rostropowitschs Aufnahme der "Romeo und Julia"-Suiten von 1983:
"Prokofjew starb am selben Tag und zur selben Stunde wie Stalin. Durch die beklemmende Gleichzeitigkeit blieb Prokofjews Tod von offiziellen Stellen zunächst relativ unbeachtet (...) Prokofjews Wohnung lag in der Nähe des Roten Platzes. So war es wegen der Menschenmassen, die Tag und Nacht um Stalin weinten, erst nach drei Tagen möglich, Prokofjews Leichnam von der Wohnung zur Beisetzung in das Haus des sowjetischen Komponistenverbandes zu überführen (...) Alle verfügbaren Blumen waren für Stalins Grab vorgesehen. Auch eine musikalische Würdignung des Komponisten zu seinem Begräbnis war nicht zu organisieren, so dass man schließlich auf einer alten Tonbandmaschine den Trauermarsch aus 'Romeo und Julia' abspielte. – Das Tonbandgerät versagte während der Trauerfeier, und die Musik verebbte in dumpfen Geräuschen."
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Leser *** wiederum, ein "jahrzehntelang im Firmen-Finanzierungsgeschäft tätiger Banker" , klärt mich, den gestrigen Eintrag zum Anlass nehmend, auf, dass die Sache mit dem islamischen Zinsverbot in der Praxis folgendermaßen gehandhabt werde:
"Die Scharia-konforme Islambank Kuveyt Türk Bank etwa, Sitz Frankfurt am Main, verdient ihr Geld ohne Zins ganz simpel und nicht die Wirtschaft hemmend:
Der Moslem möchte ein Haus kaufen;
die Bank baut/ kauft das Haus;
der Moslem kauft der Bank das Haus mit einem verhandelten Aufschlag ab;
dieser Aufschlags-Kaufpreis wird durch eine verhandelte Laufzeit geteilt;
wodurch sich ein monatlich abzuzahlender Kaufpreis-Teilbetrag ergibt.
Das kann man gutwillig als Geschäft ohne Zinszahlung betrachten – oder als cleveres Finanzkonstrukt, um zumindest scheinbar Zinszahlungen zu vermeiden. Wirtschaftshemmend ist es jedenfalls nicht. Auch erscheint mir der Islam keine ressourcenschonende Ideologie zu sein; denn Ressourcen verbraucht letztlich, wer die Endprodukte verkonsumiert."
6. März 2017
Was ist ein Öko-Stalinist? Ungefähr dasselbe wie ein Chlorophyll-Faschist? Meines Wissens wurde der Begriff erstmals gegen den 1995 verstorbenen marxistischen Philosophen Wolfgang Harich in Stellung gebracht. Der Bewunderer von Georg Lukács, der ab 1953 gemeinsam mit Ernst Bloch in Ostberlin die "Deutsche Zeitschrift für Philosophie" herausgab, war ein intellektueller Causeur und Sottisier, keine These konnte ihm steil genug, keine Kritik vernichtend genug, keine Ansicht radikal genug sein. Ich habe ihn noch persönlich kennengelernt, wobei unsere Meinungen, speziell über Nietzsche, den er kokett für "schlimmer als Hitler" hielt, leicht auseinandergingen. Er war enorm belesen, was zum Teil daher rührte, dass er acht Jahre im Zuchthaus gesessen hatte, die meiste Zeit in Einzelhaft, denn er wollte 1956 Ulbricht stürzen und Deutschland wiedervereinigen, was ihm der Spitzbart übel vermerkte. "Das Gefängnis war schrecklich, aber deshalb sperrt man Menschen ja auch ein", erklärte er, und er offenbarte mir einmal, dass er sich in seiner Einzelzelle eines gewissen Drucks bevorzugt dann zu entledigen pflegte, wenn die Insassen via Flurfunk mit der Schlagersängerin Bärbel Wachholz beschallt wurden... – ich schweife ab.
Ende 1964 wurde Harich aus der Haft entlassen, er betätigte sich als Feuerbach-Herausgeber und schrieb zwei Bücher über Jean Paul. In den siebziger Jahren beschäftigte er sich, elektrisiert vom ersten Club of Rome-Bericht, mit ökologischen Problemen, und forderte in seinem Buch "Kommunismus ohne Wachstum" eine ökologische Weltdiktatur – darunter machte er es nicht –, die jedes weitere Wachstum unterbinden, einen ewigen homöostatischen Kreislauf herstellen und den Planten vor dem energetischen Druck sowie dem Ressourcenraubbau der Menschengattung retten sollte. Damals nannte man ihn also einen Öko-Stalinisten. Die Sache verlief sich...
Was aber, wenn bald der Islam diese von Harich avisierte Aufgabe übernimmt? Im Islam gilt bekanntlich Zinsverbot, das heißt, der Entfesselung der Wirtschaft (und der Gier) sind Grenzen gesetzt, und der Schutz der Schöpfung ist eine dem frommen Muslim auferlegte Pflicht. Für die Entwicklung der Technosphäre, die sich wie ein gewaltiger Parasit auf den Planeten gelegt hat, kann man die Muslime eher wenig verantwortlich machen. Ihre Religion heiligt die Arbeit nicht. Der fromme Muslim verspürt nicht den Drang, sich unbedingt in Werken verewigen zu müssen; stattdessen zeichnen ihn Gottergebenheit und Lässigkeit im Umgang mit der Zeit aus. Es muss doch irgendeinen tiefen gottgefälligen Sinn haben, wenn dieser Glaube derzeit am stärksten wächst. Warum nicht der Rückbau der Industriegesellschaft? Damit wüchse dem Islam heilsgeschichtlich eine völlig neue, welterlösende Bedeutung zu, und für die deutschen Grünen und deren Wähler würde er auf einmal noch "anschlussfähiger" als ohnehin schon, wobei sie ihre eigenen ökologischen Fußabdrücke schon deutlich reduzieren müssten. Und was die Vermehrung angeht, könnten die Muslime wiederum von den Grünen lernen. Denn ohne ständiges Wirtschaftswachstum sowie immer neue Technologien der Nahrungs- und Energieerzeugung sollte die Erdbevölkerung im Sinne des finalen ewigen Friedens besser schrumpfen.
5. März 2017
Mir war nicht bewusst, dass Prokofjew und Stalin am selben Tag gestorben sind. Was für ein besonders tristes Schicksal, zeitgleich mit der Bestie zu enden, ohne es auch nur ahnen zu können!
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Wir stehen im 100. Jahr nach der russischen Revolution, genauer: nach den beiden russischen Revolutionen, und was zweifellos das bedeutendste Ereignis des 20. Jahrhunderts war – ohne die Oktoberrevolution kein kommunistisches Großreich, kein Hitler, kein Zweiter Weltkrieg, keine Selbstzerfleischung und ultimative Selbstschwächung Europas, keine Shoa, kein Israel, kein Kalter Krieg, keine deutsche Teilung und deutsche Psychose (dafür aber wahrscheinlich eine deutsche Atombombe und massenhaft deutsche Nobelpreise), keine EU, kein Gender, keine Pegida-Spaziergänge mangels Anlass, keine Überproduktion dummer Abiturienten, keine massenhafter Import von Analphabeten (man gerät doch sehr ins Schwelgen), kein Hosenanzug, kein Regietheater, kein Hosenanzug (im Kleid) beim Regietheater, keine Claudia Roth, ja nicht einmal Conchita Wurst, und Sybille Berg schriebe ausschließlich Romane statt zwischendurch Kolumnen etc. –, was, sagte ich, ohne Zweifel das einschneidenste Ereignis des vergangenen Jahrhunderts war, erscheint uns bereits heute unendlich weit entfernt. Und es ist ja keineswegs von der Hand zu weisen, dass sich aus der Perspektive des Jahres 2100 als das entscheidende Ereignis des 20. Jahrhunderts nicht mehr Lenins Staatstreich 1917 darbieten wird, sondern, sagen wir, Chomeinis Parisaufenthalt 1979...
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Leser *** ergänzt Bernhard Lassahns "Frauen sind die besseren Autofahrerinnen und Autofahrer" mit dem Gender-Doppeldecker "Liebe Leserinnen- und Leserbrief-Leserinnen und Leser" und erinnert an Wolf Schneiders launige Frage, ob es nicht überfällig sei, vom "Christinnen- und Christentum" zu sprechen? Selbstverständlich müsse das "Jüdinnen- und Judentum" sodann stracks folgen. "Nur der Islam lässt sich nicht gendern, so weit ich sehe. Vielleicht will er ja nicht."
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Am Rande: Was könnte es für den Konstrukteur einer Raumsonde, die in 500 Millionen Kilometern Entfernung zur Erde auf einem kurzperiodischen Kometen landet, Plausibleres und Gemütvolleres geben, als den langperiodischen Vorschriften eines frommen Beduinen aus dem 7. Jahrhundert zu folgen?4. März 2017
Im Ankündigungstext von Hoffmann & Campe für ein im April erscheinendes Buch heißt es: "Niemand in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur hasst virtuoser, fundierter und zugleich liebevoller als der Schriftsteller Maxim Biller. Mit der Kolumne »100 Zeilen Hass« begann er seine Karriere als Journalist beim Magazin Tempo, bevor er sich dann auch als Erzähler und Dramatiker einen Namen machte. Über 100 Mal begab er sich zwischen 1987 und 1996 Monat für Monat auf die Suche nach Wahrheit und Ehrlichkeit. (...) Erstmals erscheinen hier sämtliche Texte unverändert als Buch. Jede Kolumne ist ein pointierter Indizienprozess im Dienst nur einer Sache: dem Kampf für das Gute und gegen alles Schlechte."
Ist das nicht drollig? Ob Biller in einem späten Anfall von Selbstironie diesen Zinnober selber verzapft hat oder doch ein Klappentextautomat des Verlags routiniert sein Programm durchzog, stehe dahin. Wichtig ist die Botschaft in Zeiten des von der Masi eifrig verfolgten Hate Speech: Hass ist völlig in Ordnung, wenn er sich gegen das Schlechte (= Böse = gegen rechts) richtet. Und dieses Kriterium hat Biller mit seinen Kolumnen willig und zur vollsten Zufriedenheit der Linksschickeria erfüllt. Billers Hassziele waren fast immer "rechts", also kompatibel mit dem linken, "linksliberalen", grünen Zeitgeist. Er lärmte nur lauter als die baumschulendicht stehende Konkurrenz und stach tatsächlich, bei aller Ähnlichkeit des Wuchses, nach einer Weile aus ihr hervor.
Ich entsinne mich seiner herzigen Formulierung, die Zerstörung Dresdens sei "hart, aber notwendig" gewesen. Und die Soldaten mit dem roten Stern auf der Mütze gehörten ohne Wenn und Aber in die Kategorie "Befreier". Wie umgekehrt Johannes Gross ein Kryptonazi war. Mochte Biller auch mal den Vegetarismus verspotten, geschah dies nicht ohne Hinweis auf jenen eines ehemaligen Reichskanzlers. Seine Kolumne hatte neben einer grundsoliden Aversion gegen alles traditionell Deutsche nur ein Motiv: Er begehrte den Applaus der Gesinnungsschickeria, er wollte sich nach oben hassen. Das ist nicht schön, aber Brauch und in einem gewissen Sinne legitim. Außerdem ist die Prosa der Geltungssüchtigen oft besser als die der Bescheidenen. Biller besaß durchaus Talent, seinen Hass, wie fingiert der auch gewesen sein mag, in Worte zu setzen.
Zugleich war die Berechenbarkeit seiner Meinungsbeiträge samt der ebenfalls berechenbaren Reaktionen darauf so legendär, dass immer wieder Versuche angestellt wurden, die gewaltige Lücke zu schließen, die der zunehmend schmerzlich Vermisste im kippenden Ökosystem der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit hinterlassen hatte, nachdem ihm in den späten 1990ern die Puste für regelmäßige Hassbekundungen ausgangen war. (Vielleicht hat Biller als Jude auch zu kapieren begonnen, worauf die weitere Forcierung des brennenden deutschen Selbsthasses, in den er so munter Öl zu gießen verstand und der sich zuletzt in der hysterischen Bewillkommnung zum Teil hochaggressiver und auch hochaggressiv antisemitischer Analphabetenmassen und Fanatikerkohorten manifestierte, eines nicht mehr allzufernen Tages hinauslaufen werde.) Spiegel online etwa installierte gleich vier oder fünf Klone mit dem elaboriertesten Bonsai-Biller Georg Diez mittenmang. Auch der aktuell in der Türkei im Gefängnis sitzende Journalist Deniz Yücel meldet periodisch seinen Anspruch auf die Planstelle des gehätschelten Spitzenhassers an, etwa als er 2011 auf die Sarrazin-Debatte Bezug nehmend in der taz schrieb: "Endlich! Super! Wunderbar! Was im vergangenen Jahr noch als Gerücht die Runde machte, ist nun wissenschaftlich (so mit Zahlen und Daten) und amtlich (so mit Stempel und Siegel) erwiesen: Deutschland schafft sich ab!" – "Woran Sir Arthur Harris, Henry Morgenthau und Ilja Ehrenburg gescheitert sind, (...) übernehmen die Deutschen nun also selbst." – "Der baldige Abgang der Deutschen ist Völkersterben von seiner schönsten Seite." – "Nun, da das Ende Deutschlands ausgemachte Sache ist, stellt sich die Frage, was mit dem Raum ohne Volk anzufangen ist, der bald in der Mitte Europas entstehen wird: Zwischen Polen und Frankreich aufteilen? (...) Palästinensern, Tuvaluern, Kabylen und anderen Bedürftigen schenken? (...) Egal. Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal."
Selbstverständlich ist das keine Volksverhetzung, sondern nur Satire. Volksverhetzung wäre es, wenn der Schreiber ein "Rechter" und das beschimpfte Kollektiv keine "Köterrasse" wäre. Wie das Hamburger Landgericht entschieden hat, kann eine Mehrheit wie die Biodeutschen keineswegs kollektiv beleidigt und von einem Deutschtürken, sofern er nicht Akif Pirincci heißt, auch nicht volksverhetzt werden. (Und mal unter uns: Wenn sie nicht mehr die Mehrheit stellen, ist es auch nicht mehr nötig, oder?)
Keinesfalls will ich den Anschein erwecken, ich empfände einen türkischen Knast als angemessenen Aufenthaltsort für unseren Deutschlandhasser. Yücels Verhaftung hat nichts zu tun mit seiner durchaus AKP-kompatiblen Deutschen-Aversion.
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"Moderne Grüne nehmen Wald inzwischen vor allem als Bewuchs wahr, der die Installation neuer Windräder behindert."
Alexander Wendt
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Es scheint mir bemerkenswert, dass die nüchternen Angelsachsen in der größten Krise des Westens seit dem Zusammenbruch seines kommunistischen Herausforderers pragmatisch reagierten und, wie man sagt, die Reißleine zogen – Brexit, Trump-Wahl –, während die teutonischen Spinner munter auf dem einmal eingeschlagenen Irrweg weitermarschieren. Wobei man den Österreichern zugestehen soll, dass sie sich immerhin beinahe zur Hälfte umkehrwillig zeigten.
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Apropos Alexander Wendt: Dessen Buch "Der grüne Blackout" ist das Erhellendste, was ich über die deutsche Energiewende gelesen habe (hier; bald auch als Hörbuch). Zu deren mir zuvor unbekannten Pikanterien gehört der sogenannte „Phantom-“ oder „Geisterstrom“.
Wendt schreibt dazu: "Befindet sich an den Schönwettertagen viel zu viel Strom im System, dann bleibt den Netzunternehmen nicht anderes übrig, als den Überfluss an Abnehmer jenseits der deutschen Grenzen zu verschenken, um einen Kollaps zu verhindern. Oft reicht noch nicht einmal das: Dann müssen sie eine Gebühr zahlen, damit jemand die Energie überhaupt abnimmt. In einzelnen Fällen kostet das mehr als 100 Euro pro Megawattstunde. Dem Strom muss also noch eine Entsorgungsgebühr hinterhergeworfen werden. Selbstverständlich stellen die Netzeigentümer diese Kosten den Stromkunden in Rechnung. Und auch dieser Posten steigt rasend schnell, weil immer mehr Solarstrom vor allem um die Mittagszeit im Frühjahr und Sommer das Netz flutet.
Der Gesetzgeber, also der Deutsche Bundestag, hätte dieses Problem wenigsten mildern können, wenn er darauf bestanden hätte, dass Grünstromproduzenten nur für die Energie eine Vergütung bekommen, die tatsächlich von den Netzen aufgenommen und zu den Verbrauchern transportiert werden kann. Damit hätte er die Branche gezwungen, entweder in Speicher zu investieren, oder das Ausbautempo neuer Wind- und Solarparks wenigstens an den Stand der Netze anzupassen, also freiwillig zu drosseln. Stattdessen änderte die große Koalition das EEG im Jahr 2009 einfach folgendermaßen: Der Grünstrom, der nicht in die Netze passt, muss von den Netzbetreibern trotzdem bezahlt werden. Und zwar zum vollen Tarif. Sie vergüten, was Wind-, Solar- und Biogasproduzenten theoretisch bei unbegrenzter Netzkapazität hätten einspeisen können. Natürlich bekamen die Netzbetreiber im Gegenzug das Recht, die Kosten für diesen Phantomstrom an ihre Energiekunden weiterzureichen.
Allein im ersten Quartal 2016 bezahlten die Stromkunden laut Bundesnetzagentur schon 147,7 Millionen Euro für nie prozierten Strom. Dazu addierten sich im gleichen Zeitraum noch einmal 52 Millionen Euro für den so genannten Redispatch – also das schnelle Herunterfahren von Kohle- und Gaskraftwerken, um den Weg für Grünstrom freizumachen. Denn dafür müssen die Kraftwerksbetreiber entschädigt werden."
Deshalb steht auf Ihrer von Jahr zu Jahr steigenden Stromrechnung – neben allerlei anderen Subventionsposten, die den Stromkunden aufgehalst werden, und selbstverständlich nicht als solcher gekennzeichnet – Geisterstrom, der nie erzeugt wurde und keine einzige Glühlampe zum Leuchten brachte.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mag das größte Schurkenstück in der Geschichte bundesrepublikanischer Gesetzgebung gewesen sein, noch knapp vor dem ESM, und, was das Milieu der Profiteure angeht, in deren Taschen die Steuermilliarden umgelenkt werden, ein veritabler Stoff für einen Roman oder eine große Gesellschaftssatire. Als politischer Akt indes ist die Energiewende ein integraler Bestandteil der zum Teil staatsstreichartig vollzogenen Demolierung unseres Landes durch die Merkel-Administration, von der ich immer noch nicht glauben mag, dass sie intendiert ist (aber das läuft in den Resultaten auf das gleiche hinaus). Wie die Euro-"Rettung" und wie die Masseneinwanderung ist auch die Energiewende ein rein ideologisches Projekt, dem eine quasireligiöse Dimension innewohnt. Es geht schließlich um nicht weniger als die Rettung wahlweise Europas, des Friedens, der Menschenwürde, des Weltklimas etc., weshalb der weitere milliardenteure Marsch in die Illusion auch so ungerührt fortgesetzt werden kann ("Desto schlimmer für die Wirklichkeit"), obwohl nun wirklich sogar jeder Zeit-Abonnentin zu schwanen beginnt, dass alle drei "Projekte" schnurgerade in den Kollaps und die Katastrophe führen. Aber "Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun", wie ein höchstbegabter Götterdämmerer befand, und hinreichend viele deutsche Idioten sind jederzeit bereit, die Welt Mores zu lehren. Allen drei "Projekten" gemeinsam ist, dass ein paar zehntausend Gauner materiell absahnen und ein paar hunderttausend sich moralisch spreizen dürfen, während die Rechnungen an die schrumpfende Schar der Buckelkrummmacher und Steuerzahler gehen; sie bezahlen die Energiewende als Stromkunde, sie haften indirekt als Sparer, Immobilienbesitzer oder stationärer Mittelständler für die Schulden südeuropäischer Pleitestaaten und, wenn es nach den Linken geht, für immer neue deutsche Staatsschulden, sie zahlen die Milliarden für die Alimentierung der Einwanderer plus steigender Krankenkassenbeiträge und bei immer unsicherer werdenden Rentenansprüchen inmitten verlotternder Kommunen. Zugleich muss der Allerweltsdeutsche die ästhetische Zumutung der Windräder in den einst schönsten Naturgebieten ertragen, mit der tristen Gewissheit, dass die "Schänder der Landschaftsseele" (Botho Strauß) prächtig auf seine Kosten leben, wie er auch zuweilen gewisse Zumutungen seitens uns zugelaufener bon sauvages ertragen muss, die in seiner unmittelbaren Nachbarschaft die eine oder andere bizarre Sitte zum Teil gewalttätig ausleben.
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Was uns zurückführt zum Hass auf alles Schlechte im Namen des Guten. Der erwähnte Gevatter Yücel fingierte bekanntlich, er hasse Thilo Sarrazin so sehr, dass er sich wünsche, dessen nächster Schlaganfall möge gründlicher erledigen, was der erste versäumte. Sagte ich "fingierte"? Aber ja. Der Bub hasst ja nicht, er simuliert diesen Hass. Es lassen sich schließlich nicht nur Orgasmen vortäuschen, sondern auch so ziemlich alle anderen Gefühle. Aber wie steht es mit dem Hass auf die Verantwortlichen für die drei "Projekte", die im Gegensatz zu Sarrazin ja tatsächlich über einen veritablen Ausbeutungs- und Zerstörungswillen verfügen? Es kostet Anstrengung und Selbstkontrolle, keinen Hass auf solche Menschen zuzulassen, denn die gute alte Aversion muss ja nicht zwingend zum Zwecke persönlichen Fortkommens fingiert werden, sondern sie entsteht bekanntlich oft ganz ohne des Menschen Zutun, breitet sich im Gekröse aus, wächst und wächst und sprengt sich schließlich den Weg aus eines Geplagten und Bedrängten Brust. Aber einmal in kultivierte Ohren gesprochen: Wer aus dem politischen Personal dieser Republik verdiente es tatsächlich, gehasst zu werden? Wer wollte sich so weit erniedrigen, dass er etwa den eitlen Esel und Bundesfreiheitsbuffo Gauck hasst? Oder den plattköpfigen Proleten Stegner? Den verdrucksten Kontrollgnom Maas? Die Ganzkörperlarve Steinmeier? Den kadavergehorsamen de Maizière? Den FDJ-Funktionärstyp Tauber? Nein hassen, wirklich hassen, aus ganzem Herzen hassen, kann man in diesem Lande recht eigentlich nur eine Person. Aber ein kultivierter Mensch bezähmt seinen Hass.
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Um die Sache ins Politische zu wenden: Diese offenkundig übergeschnappte Person muss endlich abgewählt werden, wobei ich ihr gönne, dass sie zum Genuss ihrer Schadensbilanz steinalt werden möge. Jede Alternative zu ihr ist gut, sogar eine rot-rot-grüne Koalition unter dem autoritären und nicht ungefährlichen Eurokraten Schulz, denn eine radikale Selbstreinigung der CDU wird zwangsläufig folgen.
2. März 2017
"Diejenigen, denen wir die große Ehre erweisen, bei uns einreisen zu dürfen, sollten dieses Land unterstützen und seine Menschen und Werte lieben."
Also sprach Donald Trump in seiner ersten Kongressrede.
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In der Berichterstattung über die AfD erwirbt der BRD-Journalist gewissermaßen seine Staatsbürgerkunde-Zensur. Jeder weiß, dass sie nichts wert, aber fürs berufliche Fortkommen unverzichtbar ist.
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Gestern lud mich der sächsische Landtag zu einer Anhörung über die deutsche Sprache als Kulturgut. Als Experten waren außerdem vertreten: ein Jura-Professor und eine Linguistik-Professorin. Letzere widmete sich ausschließlich dem Thema "geschlechtergerechte Sprache", welches für die Sprachentwicklung ungefähr so bedeutend ist wie der Glasstöpsel für den Weinbau, und ich ärgerte sie mit der Bemerkung Bernhard Lassahns, es müsse, wenn schon, denn schon, beispielsweise lauten: "Frauen sind die besseren Autofahrerinnen und Autofahrer". In ihre Ausführungen flocht die Dame einen bezeichnenden Satz ein, dem heute wahrscheinlich 96 Prozent aller Geisteswissenschaftsstudenten sinnig nickend beipflichten würden, nämlich: "Sprache entsteht in einem Diskurs." Kann auch sein, dass sie sagte, Sprache sei ein Diskurs. Bei solchen Gelegenheiten merkt unsereins, was ihn von diesen Leuten und dem von ihnen vertretenen Betrieb abscheidet. Nicht nur dass ich einen Plapperbegriff wie "Diskurs", der alles und nichts meint und bevorzugt von Intellektuellen verwendet wird, die nichts zu sagen haben (und auf Staatskosten leben), allenfalls im ironischen Sinne in den Mund nähme –, er wird in diesem Kontext obendrein ideologisch gebraucht und will sagen, dass wir alle, die feministischen Linguist_innen inclusive, bei einem großen "Diskurs" namens Sprache in gleichberechtigter Teilhabe und edler Diversity mitwirken.
Überlegen wir nun, was die russische Sprache ohne den "Diskursteilnehmer" Puschkin wäre, die englische ohne den "Diskursteilnehmer" Shakespeare, die deutsche ohne Luther und Goethe, dann fällt auf, in welch erheblichem Maße der vermeintliche Diskurs aus den Monologen der Großen besteht. Der ästhetische Wert einer Sprache, ihr Wortreichtum und ihre Nuancenvielfalt verdanken sich der eher kleinen Zahl derer, die in ihr mit Talent geschrieben und gedacht haben. Allenfalls findet ein "Diskurs" auf jene Weise statt, die Don Nicolás statuierte: "Die Worte werden im Volke geboren, erblühen bei den Schriftstellern, sterben im Munde der Mittelschicht." Zu welcher die meisten Professoren gehören. Oder jene Sprachwissenschaftlerin, die das Fellachenidiom "Kiezdeutsch", in dem kein komplexer Gedanke ausgedrückt werden kann, zur "Bereicherung" der deutschen Sprache erklärte. Mal sehen, wann der erste Hochbegabte aus den immer helleren akademischen Scharen die Mathematik oder die Quantenphysik zum "Diskurs" erklärt – zum Rechnen fühlt sich schließlich jeder ebenso bemüßigt wie zum Reden – und den Kiez zur Mitarbeit auffordert.
PS: "Sehr geehrter Herr Klonovsky, der Glasstöpsel hat, zumindest für eine gewisse Zeit, keine Auswirkung auf die Genießbarkeit des Weines. Die Durchsetzung einer Gendersprache, in welcher Form auch immer, käme eher dem Versatz des Weines mit Glykol gleich, wie 1985 in Österreich geschehen. Die so entstehende Brühe ist zwar zunächst trinkbar und von normalem, wenn auch lausigem Wein kaum zu unterscheiden. Ein dauerhafter Genuß führt jedoch zur Erblindung."
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Naheliegenderweise bin ich nicht hinreichend naiv, um daran zu glauben, dass unsere Diskurs-Propagandisten tatsächlich an "Teilhabe" und Vielfalt interessiert sind. Wer Diskurs sagt, will gemeinhin – herrschen. Speziell die Art und Weise, wie sich der feministische "Diskurs" in alle Poren der Gesellschaft hineingelärmt hat, illustriert diese Tatsache. Oder, wie es der hier bereits gelegentlich zitierte Sentenzemacher aus dem oberen Mittelfeld der Champions-League formulierte: Am Ende gewinnt diejenige Farbe, in deren Namen am nachdrücklichsten Buntheit gefordert wurde.
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"Ist denn das klug und wohlgetan?
Was willst du Freund' und Feinde kränken?"
Erwachsne gehn mich nichts mehr an,
Ich muß nun an die Enkel denken.
Goethe, Zahme Xenien I1. März 2017
Jemand sagte: "Der Protestantismus ist ein Schuldkult, bei dem Gott am Ende die Erlösung bereithält. Der moderne Protestantismus, der sich von Gott klammheimlich verabschiedet hat, ist ein Schuldkult ohne jede Vergebungsinstanz. Er führt zwingend in die Selbstzerstörung."
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"Wenn ich manchmal in Diskussionen ein Beispiel für rot-grüne Pharisäer brauchte", schreibt Leser***; "habe ich gerne das Nachfolgende zitiert:
Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Beispiel:
Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer (heute würde man sagen: ein Grüner), der andere ein Zöllner (heute würde man sagen: ein Rassist).
Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden."
Dazu habe ich als kleines Beispiel die drei kleinen Bildchen gezeigt, die ich ihnen anschauungshalber beilege."
Es folgen drei Grafiken, die auf Spiegel online erschien sind (hier): Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft ermittelte das Flugverhalten der Deutschen nach Parteipräferenz.
Die Aussage "Ich bin in den letzten 12 Monaten geflogen" trifft zu für Wähler von:
CDU/CSU 36%
SPD 32%
Linke 42%
Grüne 49%
Die Aussage "Es ist gut, dass es sich heute viele Menschen leisten können zu fliegen", bejahten Wähler von:
CDU/CSU 77%
SPD 77%
Linke 69%
Grüne 48%
Die Aussage "Ich bin noch nie mit einem Flugzeug geflogen" trifft zu für Wähler von:
CDU/CSU 16%
SPD 13%
Linke 17%
Grüne 0%
Ich fliege gern, aber es ist nicht recht, dass alle fliegen dürfen. Indem ich grün wähle, kaufe ich mich von meiner Flugschuld frei, was mich von moralisch fragwürdigen Flugpassieren unterscheidet. Prägnanter lässt sich die grünstichige Weltsicht kaum auf den Punkt bringen.
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Nachdem meine Monatsendfigur das letzte Mal eher die sprirituellen Hirnregionen anzusprechen suchte, verlangt es mein kleines Männercerebrum wieder einmal nach vorletzten Dingen und schönen Eindeutigkeiten – voilà!
Die erlesene Gästeschar, die sich in meinen kleinen Eckladen drängelt, wächst und wächst schier unbeirrbar weiter. Bereits am 25. Februar war in diesem Jahr bei den Seitenaufrufen die Million überschritten. Wie gewohnt, wandert hier die Kollekte durch die Reihen, verbunden mit ergebenstem Dank an alle Spender, die auch im Februar tief in die Taschen gegriffen haben.
28. Februar 2017
"Mehr als 3.500 Angriffe auf Flüchtlinge" haben in den letzten Tagen ca. sämtliche deutsche Zeitungen, Radiosender und Fernsehnachrichten gemeldet. Der Verdacht, dass, wie immer bei rechtsextremen Delikten, jede Hakenkreuzschmiererei unter "Angriff" subsumiert wird, lag nahe; hier findet man die aufgedröselte Auswertung der, es lässt sich nicht anderes sagen: linken Fake News.
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Leser *** teilt mit, dass am vergangenen Wochenende im beschaulichen Dresdener Stadteil Briesnitz ein Fachwerkhaus brannte. Das Feuer wurde an mehreren Stellen gelegt, nachdem die Täter sich gewaltsam Zutritt verschafft hatten. Es handelt sich um die letzte Meldeadresse eines gewissen Lutz Bachmann, was aber, so die Polizei, nichts bedeuten müsse (hier).
"Und sollte es demnächst in Dresden-Striesen die Feuerwehr zu dem Haus gerufen werden, in dem mal der Richter Maier nebst Frau und Kindern wohnte (die Aufrechten dieses Landes verfügen anscheinend nicht immer über die aktuellen Adressen der Bösen)", fährt *** unter Beifügung dieses Links fort, "ist dies bestimmt nur ein ganz dummer Zufall. Es wird ungemütlich in unserem Land."
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Zwei Nachträge zu meiner gestrigen Notiz über die Saturnalien des karnevalistischen Hate speech. Leser *** schickt den passenden Link zu launigen Bildern vom Kölner Karneval anno 1933, wo die Narren auch schon mal einer Gruppe der Bevölkerung die schleunige Ausreise nahelegten.
Und Leser *** weist darauf hin, ich hätte eine durchaus erwähnenswerte Entgleisung hervorzuheben und zu preisen unterlassen, nämlich dass der von der Sportpalaststimmung befeuerte sog. Kabarettist Lars Reichow Marine LePen eine "ranzige Faschisten-Braut", Geert Wilders einen "verwesten Säugling" und Frauke Petry eine "verwelkte Kräuterhexe" genannt hat (hier).
"Die Narren kriechen den Regierenden in den Arsch", lautet ein wiederkehrender Vorwurf in den Kommentarspalten. Die Erbärmlichkeit, mit der sie dies tun, ist immerhin bemerkenswert.
27. Februar 2017
Musste eben herzlich lachen. Das automatische Übersetzungsprogramm für meine Webseite macht aus: der dritte Aufzug von Wagners Tristan "the third elevator of Wagner's Tristan".
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Ich weiß, wenn die Deutschen einmal als Kollektiv vor dem Jüngsten Gericht stehen, wird man die Karnevalsfeiern und Büttenreden gegen sie verwenden. Wer eine Veranstaltung wie den "Blauen Bock" oder "Mainz bleibt Mainz" durchhält, muss es in den Kauf nehmen, als personifiziertes Evolutionsdementi behandelt zu werden. Dies generell vorausgeschickt. Und als ein Apriori will ich überdies festhalten, dass Menschen, die einer herrschenden Gesinnung folgen wie die Sardine ihrem Schwarm, sich völlig normal verhalten; wer sich aber als Aufhetz- und Anstiftersardine aus dem Schwarm hervortut, indem er die ohnehin herrschende allgemeine Gesinnung besonders scharf einfordert und sich gegen jene in Stellung bringt, die sich der Meute bislang noch nicht angeschlossen haben, ist – völlig unbhängig von der politischen Ausrichtung – ein keineswegs ungefährlicher Lump.
Man wies mich auf gewisse Brandreden angelegentlich der Mainzer Fernsehfastnacht hin, die vor ein paar Tagen zelebriert wurde, und ich sah mir Teile des prekären Spektakels ganz ohne entomologische Neugier an. Natürlich ging es wieder gegen Trump, der als Papp-Arschgesicht mit Blondhaar auf der Bühne stand (dass aber auch keine dieser psalmodierenden Schießbudenfiguren Lust verspürt, einmal wirklich zu provozieren). Ein Redner versicherte: "Die AfD ist die Bremsspur in der Unterhose Deutschlands" und fluchte, einmal in Sportpalaststimmung gekommen, über die „braunen populistischen Kanalratten". Ein anderer drohte: "In dem Europa, was wir uns wünschen, habt ihr keinen Platz. Packt Eure Koffer, ihr Geschichtsfälscher, ihr Kleingartenfaschisten, und macht euch auf die Reise." So ungefähr müssen Mainzer Büttenreden auch in den Sündenjährchen 1933 ff. geklungen haben. "Die Mainzer Narren reden Klartext", schrieb damals vermutlich der Völkische Beobachter und heute ganz sicher die Frankfurter Neue Presse. "Der Saal dankt mit donnernden Ovationen dem Narren für die klaren Worte", oh ja, das tut ein Saal, in welchem erhöhter Gesinnungsdruck herrscht, ganz gern, wenn der Narr seine Freiheit so schnöde missbraucht. Was man auch als Indiz dafür nehmen mag, dass es sogar mit der Narrenfreiheit zu Ende ist, aber, ich wiederhole mich, ein Narr von Geschmack will die Meute nicht johlen sehen, sondern erleben, wie dem kollektiven Tier die Larven entgleiten und sich Fassungslosigkeit breit macht...
Was nun die "braunen populistischen Kanalratten" angeht, da könnte man glatt auf Volksverhetzung assoziieren, wenn Merkel das Volk nicht gottlob eben abgeschafft hätte. Wer so redet, den gelüstet es nach Pogromen, der will durchaus Blut sehen...